Glyphosat – schlimmstes Gift aller Zeiten oder geeignet für die Homöopathie?

Glyphosat wird gerade in meinem Bekanntenkreis heiß diskutiert, und dabei wird Vieles durcheinander geworfen, was man „irgendwo mal gelesen“ hat. Da die Diskussionen meist nach dem gleichen Schema ablaufen, fasse ich hier mal die gängigsten Argumente zusammen, um das allgemeine Durcheinander zu ordnen:

  • Glyphosat ist giftig!
    Ja, Glyphosat ist giftig für Pflanzen. Es ein Herbizid. Glyphosat wirkt gegen Pflanzen, hemmt deren speziellen Stoffwechsel und sorgt dafür, dass das Getreide auf dem Acker keine Konkurrenz um Platz und Nährstoffe hat. Herbizide sind eine Unterklasse der Pestizide — das sind Pflanzenschutzmittel, die Nutzpflanzen vor Schädlingen bewahren. Dies können  andere Pflanzen, Pilze, Insekten, … sein, je nach Wirkweise des Pestizids.
  • Glyphosat ist krebserregend!
    Nein. Wie überall gilt: die Dosis macht das Gift. In den vom Menschen aufgenommenen geringen Dosen hat es keinen schädlichen Effekt, da sind sich die Behörden sicher. Die IARC (International Agency for Research on Cancer) hat in einer Studie festgestellt, dass es begrenzte Hinweise auf eine krebserregende Wirkung bei Glyphosat gibt (Klasse 2A). Es fällt damit in die selbe Klasse wie der Rauch von brennendem Holz, Mate-Tee, Schichtarbeit und das Friseurhandwerk. In der höchsten Klasse sind neben Alkohol und Tabak auch der Malerberuf und Sonnenlicht (UV-Strahlung) zu finden. Von knapp tausend Substanzen, die die IARC bisher bewertet hat, wird übrigens nur eine in die Gruppe 4 („wahrscheinlich nicht krebserzeugend beim Menschen“) eingestuft: Caprolactam, das laut EU-Gefahrstoffkennzeichnung gesundheitsschädlich ist.
  • Glyphosat tötet Bienen!
    Nein. Das Insektensterben geht nach neueren Forschungserkenntnissen vor allem auf Neonikotinoide zurück. Dieses gehören zu den Insektiziden. Glyphosat ist, wie oben bereits erwähnt, ein Herbizid. Funfact: laut einer Sprühstudie ist Glyphosat als eines der wenigen Pflanzenschutzmittel für Bienen gar nicht schädlich. Ein Verbot von Glyphosat wäre für die Bienen eine ziemlich schlechte Nachricht, weil dann andere, schädliche Pestizide zum Einsatz kommen würden.
  • Keiner kennt die Langzeitwirkungen!
    Doch. Glyphosat wird seit über 40 Jahren als Pflanzenschutzmittel in der Landwirtschaft verwendet. Das ist ein sehr langer Zeitraum, in dem keine Nebenwirkungen gefunden wurden. Man kann daher sagen: es gibt keine gesundheitlichen Langzeitwirkungen bei der Nutzung. (Quelle: Industrieverband Agrar)
  • Glyphosat ist doch ein Milliardengeschäft für den Chemie-Riesen Monsanto!?
    Lustiger Fakt: Das Patent für Glyphosat läuft aus. Die Preise sinken daher und der Gewinn der Chemiefirmen ebenfalls. Die aufkommende Billigkonkurrenz macht allen Anbietern von Herbiziden zu schaffen, insbesondere großen Herstellern wie Monsanto. Glyphosat schadet weniger der Umwelt, sondern eher dem zukünftigen Umsatz dieser Firmen. (Quelle: Deutschlandfunk)
  • Lobbyisten verdienen Millionen mit ihren Kampagnen zum Thema Glyphosat!
    Ja, der Verband campact zum Beispiel verdient nicht schlecht mit seinen gut durchorganisierten Kampagnen gegen Glyphosat. Wer eine gesunde Skepsis gegenüber Lobbyverbänden  hat, der sollte auch Lobbyorganisationen wie campact, attac, etc. kritisch betrachten. Zum Lesen empfehle ich Texte aus der faz, dem Deutschlandfunk und der Huffington Post.
  • Wozu braucht man Glyphosat überhaupt?!
    Da lassen wir einfach mal wikipedia sprechen: „Eine 2014 veröffentlichte Studie untersuchte die Folgen eines möglichen Verbots von Glyphosat für die Saatbettbehandlung bei Wintergetreide und Raps in der EU-25. Landwirte würden bei einem Wegfall von Glyphosat ihre Unkrautbekämpfung vermehrt auf mechanische Behandlung und selektive Herbizide umstellen. Ohne signifikante Anpassungen und Innovationen im Anbau würden sie hohe Ertragsverluste erleiden, die sich auf bis zu 14,5 Millionen Tonnen in der EU-25 summieren könnten. Um trotz geringerer Erträge das vorherige Produktionsniveau zu erhalten, müsste die Anbaufläche um bis zu 2,4 Millionen Hektar ausgedehnt werden. Eine solche Ausdehnung würde steigende Treibhausgasemissionen nach sich ziehen. Alternativ könnten mehr Agrarerzeugnisse von außerhalb der EU importiert werden.[27]
  • Es geht doch auch ohne Glyphosat! Was ist mit dem Biolandbau?
    Stimmt, im  Biolandbau wird kein Glyphosat eingesetzt. Dafür Verbindungen wie Kupfersulfat (sehr giftig, auch für den Menschen) und das Insektizid Azadirachtin, das ebenfalls giftiger ist als Glyphosat. Auch das mechanische Umpflügen der Äcker, das vor der Entwicklung von von Glyphosat sehr verbreitet war, schadet den Böden potentiell mehr als das Pestizid. Über den Biolandbau hatte ich hier schonmal geschrieben, auch der Tagesspiegel hat dazu etwas veröffentlicht.
  • Hilft Glyphosat vielleicht sogar gegen Krebs?
    Eine einzelne Studie  hat ergeben, dass Glyphosat Krebszellen am Wachstum hindert, während normale Zellen nicht betroffen sind. Wer also nur willkürlich Einzelstudien herausgreift, kann ab jetzt Glyphosat als Heilmittel bejubeln. Alle anderen sollten damit warten, bis andere Studien das bestätigen oder relativieren.

Zusammenfassung: Glyphosat ist ein Gift, das für Menschen in der vorkommenden Konzentration nicht schädlich ist. Es hilft im Gegenteil bei effizienter Landwirtschaft und sorgt für heimisches Getreide auf dem Teller.
Das BfR hat übrigens eine schöne und verständliche Liste zu häufigen Fragen wegen seiner Bewertung von Glyphosat verfasst.
Wer sich mal über den Begriff „Dosis“ informieren möchte, kann bei wikipedia hier und hier lesen, warum auch Wasser giftig sein kann (wenn die Dosis zu hoch ist) oder warum man bei Tabletten eine Mindestmenge schlucken muss (sonst ist die Dosis nämlich zu niedrig).

PS: „Alle Ding‘ sind Gift und nichts ist ohn‘ Gift – allein die Dosis macht, das ein Ding‘ kein Gift ist.“ – Paracelsus

 

Linkliste:

Anmerkung: Der Absatz über die Frage der Insektengefährdung wurde nachträglich ergänzt, da dieses Thema in jüngster Zeit vermehrt in den Diskussionen um Glyphosat aufgekommen ist.

4 Gedanken zu “Glyphosat – schlimmstes Gift aller Zeiten oder geeignet für die Homöopathie?

  1. Ok, Glyphosat ist also ein Pflanzengift…Getreide besteht meiner Meinung nach auch aus Pflanzen…warum greift es diese nicht an?
    Wieso nennt man Glyphosat ‚Pflanzenschutzmittel‘, obwohl es Pflanzen doch schadet?
    Woher weiß das Glyphosat, dass es am Rand eines Ackers stoppen muss und nicht mehr schaden anrichtet als nötig?
    Wer bestimmt eigentlich, was Nutzpflanze und was “Unkraut“ ist?

    Ich habe auch davon gehört, dass Glyphosat oft in Kombination mit anderen Mitteln eingesetzt wird…falls das wahr ist, wie sind diese ‚Mischungen‘ einzuschätzen?

    Ich habe nach wie vor Sorge…=/ *seufz*

    mfG Jörg

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    • Lieber Joerg,
      Glyphosat dringt über die grünen Pflanzenbestandteile in die Pflanzen ein. Es wird VOR der Saat verteilt, so dass es das Unkraut bekämpft, damit das Getreide ungestört wachsen kann. Es schützt also die Nutzpflanzen vor Konkurrenz, deswegen Pflanzenschutzmittel.
      Glyphosat ist natürlich ein unbelebter Stoff und wirkt da, wo es verteilt wird. Da Pestizide den Bauern natürlich Geld kosten, bringt er nicht mehr aus als nötig und behandelt nur seinen Acker, nicht das Umland.
      Der Bauer ist es übrigens auch, der bestimmt, was auf seinem Acker wachsen soll („Nutzpflanze“) und was nicht („Unkraut“). Eine Brennnessel kann also für den einen Bauern Unkraut sein, für den anderen hingegen Nutzpflanze.
      Glyphosat wird oft mit sogenannten „Netzmitteln“ genutzt, die das Eindringen in die Pflanze erleichtern. Diese Stoffe sollten in der Tat näher unter die Lupe genommen werden, wenn man einen möglichst sauberen Acker will.
      Aber auch darum kümmern sich BfR, EFSA, JMPR und andere unabhängige Institute, damit du dich nicht sorgen musst.

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